Hier wird die Geschichte einer jungen Frau erzählt, die der Hexerei beschuldigt und unmenschlichen seelischen und körperlichen Qualen ausgesetzt wird. Eine Geschichte aus der Düffelt, wie sie sich im Mittelalter mehrfach abgespielt haben könnte.
In dieser Zeit nahm die Verfolgung von Menschen, die sich angeblich dem Teufel verschworen hatten, auch hier in den Niederrheinlanden unvorstellbare Ausmaße an. Machtbesessene Kirchenfürsten, fanatische Theologen und pflichtbewusste Beamte bekämpften gnadenlos ein Verbrechen, dessen Existenz auch damals unter den Gelehrten schon umstritten war.
Tief verwurzelter Aberglaube und die Angst vor teuflische Dämonen gaben den Verfolgern den nötigen Rückhalt in der Bevölkerung, menschliche Niedertracht führte zu Bespitzelungen und Denunziationen. Hohe und Niedrige, Arme und Reiche, Frauen, Männer und Kinder fielen der Brutalität der Hexenjustiz zum Opfer. Wer einmal in ihre Mühlen geriet, für den gab es kaum ein Entrinnen.
Die meisten Personen in dieser Geschichte sind frei erfunden, die Täter und die Opfer. Die Verhöre, die Folterungen, sie könnten sich aber wirklich so abgespielt haben. Die Engstirnigkeit, die Grausamkeit, die Gemeinheit, es hat sie wirklich gegeben. Aber auch Beispiele von Hilfsbereitschaft, Tapferkeit, Einsicht und Zivilcourage. Sie können uns Mut machen, rechtzeitig gegen Verfolgung, Misshandlung und Rechtsbeugung zu protestieren. Denn die sind noch lange nicht aus unserer Welt verschwunden.
So eilte auch Jan der Fischersohn aus Nütterden zu seinem alten Freund, Bauer Wellem nach Bimmen, als er hörte, dass dessen Frau Minchen von den Schergen des Bischofs verschleppt worden war. Jan war in der ganzen Region dafür bekannt, das er mit seinen mystischen Fähigkeiten den Menschen half und die satanischen Dämonen vertreiben konnte. Kätchen die Tochter des Bauern hatte den Fischersohn Jan gerufen. Sie klagte ihm das ganze Leid das ihr und ihrer Familie mit dem bestialischen Tod der Mutter angetan wurde.
In dieser Zeit wurde das Verbrennen von vermeintlichen Hexen ärger als je zuvor. Denn überall sah der Bischof das Böse am Werk, da Bimmen einen unmittelbaren Zugang zum Rhein hatte und in direkter Nachbarschaft zu dem niederländischen Ort Millingen lag, vermuteten die Häscher des Bischofs besonders viele satanische Kräfte; jedes Hagelwetter, jede kranke Kuh und jeden verdorrten Halm hielten sie für eine Untat der verfluchten Hexensekte.
Die fanatischen Ratgeber der geistlichen Elite, Gott allein weiß, ob es gute Ratgeber waren, nährten die Glut ihres Zorns, bis sie zur lodernden Flamme wurde, die überall im Land die Scheiterhaufen entzündete. Größer und größer wurde die Zahl derer, die des Umgangs mit dem Bösen verdächtigt wurden und die alsbald durch grausame Folter die schrecklichsten Untaten eingestanden. Wie eine Seuche schien das Übel der bösen Zauberei das ganze Land befallen zu haben und je mehr Hexen ihre Untaten mit dem Leben büßten, um so mehr schienen sie in Freiheit ihr Unwesen zu treiben.
Schließlich soll der Pastor von Bimmen im Auftrag des Bischofs ein „Malefizhaus“ errichtet haben, in dem alle eingekerkert wurden, die Gott so schändlich verleugnet haben sollten. Dort trafen sie auf ihre Richter, dort wurde ihr Urteil gefällt. Niemand hat in jener Zeit das Malefitzhaus wieder verlassen, wenn er einmal darinnen war, es sei denn, um in dieser Welt seinen letzten Weg zu machen, zum Richtplatz am Schwarzen Kreuz, vor den Toren des Dorfes. Möge Gott ihrer aller Seelen gnädig sein!
Zu den ersten, die der Pfarrer im neuen Hexenhaus verwahren ließ, zählte Minchen, die Ehefrau des Bauern Wellem aus Bimmen.
Bei der peinlichen Befragung unter der Folter ihrer Peiniger hatte sie gestanden, die Buhlin des Teufels geworden zu sein und mit ihren Hexenkünsten unfassbare Schandtaten begangen zu haben.
Wir alle haben es nicht glauben wollen hatte Kätchen an Jan berichtet. Denn Minchen ihre Mutter war eine gottesfürchtige Frau, die die Gebote der heiligen Kirche achtete, den Armen reichlich gab und ihren Mann Wellem eine treue und gehorsame Hausfrau war.
Aber das Urteil der drei gelehrten Männer, die ihre Richter waren, konnte wohl nicht bezweifelt werden. Und hatte sie nicht selbst ihre Schandtaten eingestanden?
So waren wir dankbar für die Gnade, die ihr der Bischof erwies, berichtete Kätchen; Er ließ sie mit dem Schwert richten, bevor ihr Leib zu Pulver und Asche verbrannt wurde.
Um das Böse, das sie vielleicht in unsere Herzen verpflanzt hatte, zu vertreiben, bemühte sich die ganze Familie von diesem Tag an mehr als je zuvor, gottgefällig zu leben. Ich selbst war unerbittlich gegen mich, unerbittlicher noch, als es die strenge Zucht eines Klosters fordert, ich unterwarf meinen Geist und meinen Körper den härtesten Prüfungen, ich flehte zu Gott und allen Heiligen, sie möchten nun den Satan von mir und den Meinen fernhalten.
Aber es hat alles nichts helfen wollen. Der Fluch, der auf diesem Hof und seinen Bewohnern lag, hat auch meine Familie zerstört und ließ und lässt mich bis heute an der heiligen Mutter Kirche zweifeln, an ihrer Weisheit und Güte. Unter Tränen führ Kätchen fort, damit bin auch ich schuldig geworden, obwohl ich mich, Gott ist mein Zeuge, nie mit dem Satan eingelassen habe. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, so schlich sich der erste Zweifel in meine Seele, als sich der Tag zum ersten Mal jährte, an dem sie die Asche der Mutter vom Deich aus in alle Winde verstreut hatten. An diesem Tag nämlich kam Jan der Fischersohn aus Nütterden nach Bimmen.......
„Wat es dan met o loss, ek kenn o jo niet merr weer, wellt gej menen Win niet enz prüwe“ begrüßte Bauer Wellem auf „Kleverländisch“ den alten Freund Jan aus Nütterden, in der hier gebräuchlichen Umgangssprache. Aufmunternd hielt er seinem Gast das Glas entgegen, als er aus dem Stall kommend in die gute Stube eintrat.
„Hallo, mir ist nicht danach“, antwortete Jan ihm freundlich, „ich habe dringend mit Euch zu reden, nachdem deine Tochter Kätchen mir von eurem Unglück erzählt hat.“
Aber dann nahm Jan das Glas doch, kostete und schmatzte anerkennend. „Nicht schlecht, mein Lieber, wahrhaftig nicht schlecht!“ Er nahm noch einen Schluck und wischte sich den dünnen Bart, den er sich seit dem letzten Jahr hatte wachsen lassen.
„In diesen miserablen Zeiten ist ein guter Wein so selten wie ein treuer Freund.“ Er seufzte. „Und das bringt mich wieder zu dem Grund meines Besuches.“
„Ach wat, Jan!“ Wellem winkte ab. „No kenn ek o all so lang, en ömmer heb gej ok wat bej ons gegäte, dan spreckt et sich öm so bäter.“
Er wandte den Kopf und rief: „Kätchen! Kätchen!“
Gleich darauf öffnete sich die Tür und Kätchen betrat die Stube. Sie war schlank und ziemlich groß. Unter einem weißen Häubchen quoll dichtes, dunkles Haar kaum gebändigt hervor und fiel in lockigen Strähnen in die Stirn. In ihrem blassen Gesicht glänzten die Augen groß und rund, Augen, die so dunkel waren, dass man die Pupillen darin nicht sah. Das Licht spiegelte sich in ihnen wie das Mondlicht in der nächtlichen Schwärze eines Sees; sie waren blank wie Glas und man konnte doch nicht hineinsehen. Als Jan für sich erkannte, dass er sie bewundert ansah, schoss ihm die Verlegenheitsröte ins Gesicht und hoffte das Kätchen dies nicht bemerkt hatte.
Das Mädchen begrüßte den Gast mit einem freundlichen Nicken und meinte dann lächelnd: „Gelli welt bestemt dat ek en betje Fleiss en Brot breng.“
Bauer Wellem sah seine Tochter liebevoll an. „Dat es lief van o mädje, dat heb gej rechteg gerooje.“ Kätchen nickte. „Heb nog effkes gedöllt, et sal nit lang düre.“
Schweigend tranken die Männer ihren Wein und warteten, bis die junge Frau das Essen gebracht und den Raum wieder verlassen hatte.
Nachdenklich sah Jan ihr hinterher. „Schön ist sie geworden“, sagte er, „so schön, wie ihre Mutter war. Wie alt ist sie jetzt?“
„Neegentin johr wört se van et fruchjohr“ antwortete Wellem stolz und atmete tief ein und aus.
„Ihr solltet sie verheiraten, Wellem. Sonst kommt sie auch noch wie ihre Schwester auf dumme Gedanken und geht ins Kloster. Habt Ihr denn keinen jungen Mann, den ihr für würdig haltet..“ versuchte Jan den Vater bei Laune zu halten.
„Würdig, würdig“, der Bauer schüttelte den Kopf. „Dor sal wäll imand te finde sin, mar se well nit, sej sett, se kos min nit alleen lote. En se hät rächt, se es min en groote hölp, sent ör moder dot es…… sej mekt denn hele huishalt för min…mar sej hett ören eigen Kopp, en sej es nit vör een bröllft te hebbe. Määj gloof ek se hätt, denn duiwel inet liff.“
Wellem unterbrach sich unvermittelt selbst und schlug plötzlich mit beiden Fäusten auf den Tisch, dass die Gläser klirrten und Jan heftig zusammenzuckte.
„Bej alle hellige, dor wass et min fast wärr herüttgerutscht.“ Er versuchte zu lächeln, aber es gelang ihm nicht. Höhnisch fuhr er fort; „wat kiek je so, Jan? hätt o denn duiwel in et lif so bang gemakt? Glööf gej dat min dochter o ok verhext? Of sit gej bang dat sich de flur ob düt, en satan as dämon met et gesecht van onsen pastoor obstiegt, öm ons met de neme? Mischin es dän win dän wej drenke so gut, dat et duiwelswerk es? O minen liewen heer wat es blos loss met min?“
Der Hohn war aus seiner Stimme verschwunden, Kummer und Zorn mischten sich jetzt darin. Er griff nach seinem Glas und goss den Inhalt in einem Zug hinunter.
„Ihr solltet nicht so reden, Wellem!“, sagte Jan besorgt. „Seht ihr, das ist es, was ich euch sagen wollte: Ihr redet euch noch um Kopf und Kragen!“
Aber der Bauer hörte ihm gar nicht zu. „De gottlose häxenbrut welle se ütrotte,“ sagte er wie zu sich selbst. „Mar könn gej Satan kapott kriege, wenn gej öre diener ömbrengt? Kann hej nit för jede Häx, die verbrennt, sofort zwee neje hebben, wän hej so machtig es, dat hej wiewer, pfaffen, börgermester, jo, en onschuldige kinder för sich lokt?“
Er sprang auf und lief unruhig im Zimmer auf und ab…. „Wor hen soll dat nog goon! Alle menze worren verbrannt, bes alleen nog mar dän pastoor en dän bischop öwer bliewe. Wo sal dat hen gan, et hele land wörd in de hand van denn düwel falle. Die motten dan et füür an et eige liff halde. Wenn et dan geen menze mer gefft kann et ok geeh Häxe mer gäwe. Off vergribbt sich den düwel dan an de pogge en kuhe?“ Redete Wellem sich in Rage und rieb sich die Augen, als erwache er aus einem bösen Traum. „Dor kan doch wat nit stemme Jan, hier hebbe so vööl met dän Düwel paktiert, so kann et doch nit wier gohn!“
„Halt, halt, halt, unterbrach ihn Jan energisch. „Da habt Ihr es doch wieder! Die Kirche mit ihren Helfern machen sich die Angst der Menschen zu Nutze, um sie zu knechten und auszubeuten.
Wellem sah seinen Freund fassungslos an.
„Minen liewen Gott, Jan, so blind könt gej doch nit sinn. Dat könnt gej doch nit gutheißen! Dörf man enen volwassenen mens dän twiffel hät, wän hej trauer häft öm sin frau en sin dochter, dan ok nog enen prozess maake? Wor es door rächt en billigkeit?“
Der Bauer zuckte die Achseln.
„Ich habe nicht von gutheißen geredet. Ich habe nur gesagt, man brauche sich nicht zu wundern“ erwiderte Jan.
Wellem hatte seine unruhige Wanderung wieder aufgenommen und beachtete Jan seinen Einwurf nicht.
„Bej onsen liewen Gott en alle Helligen, dat mott doch eneker ophöre! Wij well dan bestriehe dat dat böse exesteert. Äwel menze sin fehlbar, ok rechter en bischöfe.“
Er blieb stehen und starrte vor sich hin. „Minchen“, sagte er leise, „ nojt sal ek glöwe, dat se en Häx was. Nor dem die büttel van dän pastoor se in et Malefizhuis gebrocht hebbe, heb ek sej noit mer weergesien.“
Nun brach es endgültig aus Wellem heraus: „Wän se onder de marter vor pinn geschraut hät, ek heb et nit gehort. Wän se ängst vor dän dood gehät häft, ek heb et nit bemerkt. Dan hebbe se gesejt, dat se gestörwe es för ör sönd, en dat se et bereut heft, en ör eigengut an dän bischop vervallen es. Et heft geröchte gegewen, wat se alles gedon heft. Mar min het se et nit segge könne, dat met dän Düwel paktiert heft, en hostien geschändet heft, en dat se unschuldige menze gedood heft. En dorom glöf ek et ok nit! Ek glof erder, dat dat vermaledeide pfaffengesindel en sine koruppten rechter………“. Wellem brach regelrecht zusammen.
„Hört endlich auf!“ Jan schrie, aber man merkte ihm an, dass er es weniger aus Zorn als aus Sorge tat. „Zum letzten Mal, hört endlich auf, Wellem! Schon euch zuzuhören reicht, dass sich ein Mann verdächtig macht in diesen Zeiten. Jetzt lasst endlich mich reden! Setzt euch wieder zu mir!“
Wellem gehorchte, erstaunt über den unerwarteten Ausbruch, und Jan fuhr fort:
„Ich bin gekommen als Euer Freund. Ich will, nein, ich muss Euch warnen. Euer loses Maul, wenn Ihr verzeiht, dass ich so offen rede, euer verdammtes loses Maul und dazu die Erbitterung über den Tod eurer Frau haben euch in eine gefährliche Lage gebracht. Neulich, während der Sitzung im Dorfrat, eure spitze Bemerkung über den Pastor und den Bischof war töricht, wenn du dich, trotz großer Trauer und Wut, nicht besinnst, wirst auch du und deine Tochter Kätchen sterben,“ leise fügte Jan hinzu, „ich kenne den Abt von Cleve sehr gut, der hat klar erkannt und auch schon ausgesprochen, dass die Hexenjäger, die sich so fromm gaben, weil sie angeblich den Teufel bekämpften, in Wirklichkeit mehr an die Macht des Teufels als an diejenige Gottes und Christi glaubten. Dieser Abt hat die Kraft und das Ansehen, um die fanatischen Auswüchse hier zu stoppen. Er wird uns helfen damit du mit deiner Tochter Kätchen und den anderen Dorfbewohnern von Bimmen wieder zur Ruhe kommst.“
Wellem seufzte tief durch als er die Worte von Jan vernahm, als seine Tochter Kätchen, die an der Tür gelauscht hatte, in die Stube trat. Sie sah Ihren Vater zusammen gekauert am Tisch sitzen und rüttelte ihn an den Schultern, als sie verzweifelt rief; „Voder kom wer hoch, wej wollen bäje, en onsen echten, liewen Gott bedden en dank seggen, dat hej ons helpt, en dat alles wär gut wörd.“
Vater und Tochter sanken auf die Knie, um zu beten, als Jan sich verabschiedete, um sich nach Cleve aufzumachen. Er will den Abt bitten, dem unsinnigen Töten hier in Bimmen, Einhalt zu gebieten.
Schon kurze Zeit später vernahm Jan von seinem Freund, dem Bauer Wellem, die Nachricht, dass sich alles zum Guten gewendet hatte. Die Inquisition in Bimmen wurde abberufen und ein neuer Pastor eingesetzt. Das Malefitzhaus wurde abgerissen und ein Denkmal an dieser Stelle errichtet. Nun konnten die Menschen endlich der Opfer, nach ihrem wahren christlichen Glauben, gedenken. Bauer Wellem hatte noch mehr freudiges zu berichten, seine Tochter hatte einen guten Mann gefunden. Alle wohnten nun zufrieden, in ihrem christlichen Glauben auf dem Hof in Bimmen, bis an ihr Lebensende.
Jan der Fischersohn aus Nütterden hatte mal wieder seine guten Fähigkeiten unter Beweis stellen können bis…………