Das geheime Buch der Düffelt
Zur Erklärung
Der Autor Jan de Schwoon möchte sie mitnehmen, auf eine geschichtliche Zeitreise durch die Düffelt. Der Roman „Das geheime Buch der Düffelt“ basiert auf wahren historischen Geschehnissen und mystischen Fantasien des Autors. Es ist eine Mischung aus historischem Roman und Mystery.
Düffelgau „In Pag o Dublensis" ist die altgermanische Bezeichnung des hiesigen Landschaftsnamen. Im heutigen Sprachgebrauch wird mit „Düffelt“ die gesamte Rheinniederung unterhalb des Niederrheinischen Höhenzuges zwischen der Klever Stadtmauer im Osten und der Hoenderpoort zu Nimwegen im Westen gezählt. Im Norden grenzt die Düffelt an die Waal und im Süden an das Kranenburger Bruch.
Zu den Orten, Burgen und Schlösser in der Düffelt, die in diesem Roman vorkommen, zählen; Cleve, Rynderen, Dyfelwerdt, Haelt, Biesenbörg, Hoevelaick, Bymmen, Myllinghen, Spaldorpe, Kekerdom, Oye, Loeydt, Peersynghen, Niel, Germezeel, Zelhem, Merr, Donsbrüghe, Gnadendael, Clarebeeck, Nütterden, Cranneborgh, Zefelyck, Wylre, Beek, Opbrüghe, Nymeghen.
In mehreren Kapiteln erzählt Jan de Schwoon, wie sich das Leben der Menschen in den Dörfern der Düffelt, dem niederrheinischen Landstrich zwischen Kleve und Nijmegen, abgespielt haben könnte.
Mit seiner Romanfigur Jan dem Fischersohn aus Nütterden, beschreibt der Autor Orte und Legenden, wie sie seit jahrhunderten in der Düffelt überliefert sind. Manche Düffeltbewohner läst der Autor Jan de Schwoon Kleverländisch sprechen. Kleverländisch ist nicht nur eine alte, niederfränkische Dialektsprache, die hier gesprochen wird, sondern auch ein Lebens-gefühl der Menschen, die hier wohnen.
Alles hängt nun von dem Fischersohn und seinen mystischen Fähigkeiten ab. Wie schon in den Kurzgeschichten von Jan de Schwoon „Geheimnis-volles Nütterden“ nimmt Jan den Kampf, gegen die magischen Monster und satanischen Dämonen auf, die das Leben der Menschen in der Düffelt ständig bedrohen.
Mit Hilfe des als verschollen geglaubten, „Geheimen Buch der Düffelt“ macht sich der Fischersohn auf den Weg, zur Heimstatt (Thingplatz, Versammlungs-platz), dem Mittelpunkt der Düffelt in der Nähe der Siedlung Niel. Dort trifft er auf die alte, germanische Gottheit Tyr, dem Schutzherrn des Things (Gerichts-wesen). Wird es Jan mit Hilfe der Gottheit gelingen die teuflischen Dämonen der Düffelt zu besiegen oder sind die satanischen Mächte diesmal stärker?
Kapitel 1
Traum oder Wirklichkeit
Jan der Fischersohn hat einen unruhigen Schlaf in dieser Nacht. Das Gebälk des alten Fischerhauses, am Ufer der Klarenbeeke (Renneken) in Nütterden, das er von seinem verstorbenen Vater geerbt hatte, knarrte unentwegt unter dem starken Sturm, der über Nütterden und der Düffelt hinweg fegte.
Immer wieder wurde Jan von den klappernden Fensterläden aus dem Schlaf gerissen. Zwischen den schnell vorbeiziehenden Wolken trat ab und zu der Mond hervor. Es war Vollmond.
Jan wälzte sich in seinem Bett hin und her. War es ein Traum oder war es Wirklichkeit, als ihm plötzlich sein alter Freund Ritter Lohengrin in seiner Schlafstube erschien. Lange Zeit hatte er nichts mehr von dem Edelmann gehört. Seit dem Tage, wo der Edelmann Herzogin Elsa mit den beiden Kindern in Cleve verlassen musste, war Lohengrin nicht mehr mit Jan in Kontakt getreten. Nun da Jan ihn wieder sah, war er sehr erschrocken. Seine sonst so edle Kleidung hing zerfetzt an Lohengrin herunter. Der edle Ritter war auf seinen Kreuzzügen in Diensten des Papstes schwer verletzt worden. Mit der ihm verbliebenen, letzten mystischen Kraft, hatte er es bis zu Jan geschafft. Mit gebrochener, röchelnder Stimme bat er Jan, ihm zu helfen.
„Du weißt Jan, mein Vater ist Parzival, der Hüter des Heiligen Grals und der Hochmeister des Templeisen - Ordens. Diesem Orden gehöre auch ich an. Nach unserer Ordensregel haben wir die Aufgabe allen Menschen in ihrer Not und Bedrängnis beizustehen.“
Lohengrin atmete schwer als er mit bebender Stimme fortfuhr.
„Bei Erweiterungsarbeiten auf der Burg Zelhem, ist in einem zugemauerten Turmzimmer, das seit jahrhunderten verschollene, geheime Buch der Düffelt entdeckt worden. In diesem Buch sind die kompletten Chroniken von jedem Ort in der Düffelt über Jahrhunderte festgehalten. Ebenso wird in einem Kapitel darin ausführlich beschrieben, wie die heidnischen Dämonen in der Düffelt bekämpft werden können. Durch den Hilferuf des alten Burggeistes von Zelhem in unsere mystischen Welten hinein, konnte das Buch von ihm gerettet werden und mir zugespielt werden. Ich übertrage dir hiermit meine Mission, das geheime Buch der Düffelt zum Wohle der Menschen in der Region zu nutzen…...“
Jan unterbrach den vor Schmerzen stöhnenden Lohengrin, in dem er seinem von blutenden Wunden geschwächten Freund etwas Wasser einflößte.
„Mein Orden hat mich zu dir geschickt Jan um das geheime Buch zu retten. Begebe dich zum Mittelpunkt der Düffelt. Dort auf der Heimstatt versuche mit der alten, germanischen Gottheit Tyr Verbindung aufzunehmen. Er ist der Gott des Rechtes und Beschützer der Thingversammlung. Mit deinen mystischen Fähigkeiten bist nur du in der Lage, Kontakt mit der Gottheit Tyr aufzunehmen……“
Lohengrin fuhr stockend fort, seine Stimme wurde dabei immer schwächer.
„…... mit seiner Hilfe hast du eine Chance das geheime Buch zu lesen und zu verstehen. Um die Menschen in der Düffelt von der teuflischen Brut zu befreien ist es wichtig, dass du den Gott Tyr zu Hilfe holst, ansonsten kannst du es nicht schaffen. Achte darauf das keine Dämonen in der Nähe sind…… sie dürfen nichts über dein Treffen mit Tyr und über das geheime Buch erfahren.….. bespreche dich im Geheimen mit Tyr, nur er kann den alten Schriftcode aus dem geheimen Buch entziffern…. rufe dann die Führer der einzelnen Düffelt Dörfer auf den Versammlungsplatz zusammen…… erst dann könnt ihr gemeinsame Maßnahmen ergreifen…. um die Dämonen, die in der Düffelt ihr satanisches Unwesen treiben, zu bekämpfen.…
die Menschen in der Düffelt sind in großer Gefahr…… mit dem geheimen Buch und dem Gott Tyr kannst du sie beschützen…. du bist der Richtige und Einzige, der das Schaffen kann…. ich bin zu schwach…. nur du mit deinen mystischen Fähigkeiten bist in der Lage, meine geheime Mission zu vollenden…… aber Vorsicht, auf dem Weg zum Thingplatz lauern viele Gefahren auf dich…. wähle zwei Personen zu deinem Schutz für diese gefährliche Mission aus, denen du bedingungslos vertrauen kannst…… gebt euch als arme, pilgernde Mönche aus, die Buße tun wollen…… so werdet ihr hoffentlich weitestgehend von Angriffen verschont bleiben......“
Die letzten Worte konnte Jan kaum noch verstehen, so sehr geschwächt war Lohengrin von seinen schweren Verletzungen.
Mit einem kräftigen Donnerschlag und in einem darauffolgenden, gleißend hellen Blitz, entschwand der edle Ritter für immer in die mystische Fabelwelt. Jan wachte schweißgebadet auf. Das er nicht geträumt hatte, bemerkte er erst, als er das alte, geheime Buch der Düffelt in seinen Händen hielt….
Kapitel 2
Die Heimstatt
Nachdem Jan der Fischersohn sich von den Geschehnissen in der Nacht erholt hatte, überlegt er, wie er weiter vorgehen will.
Soweit ihm das möglich war versuchte Jan das geheime Buch zu studieren. Da es aber mit einem unsichtbaren, geheimen Code belegt war, gelang ihm dies nicht. Seine mystischen Kräfte reichten dazu nicht aus. Also beschloss er, so wie es ihm Lohengrin aufgetragen hatte, zwei seiner engsten Vertrauten aufzusuchen um sich mit ihnen auf den Weg zur Heimstatt zu machen.
Mit Junker Alexander und dem Knappen Michel aus Donsbrüghe wollte er das gefährliche Abenteuer wagen. Da die drei Freunde schon so manche schwierige Situation in der Vergangenheit gemeistert hatten, brachte er ihnen das nötige Vertrauen entgegen, um das geheime Buch unversehrt zur Heimstatt im Mittelpunkt der Düffelt zu bringen.
Jan traf sie in der „Koekkoek-Schänke“ an. Sie waren hoch erfreut ihn wieder zu sehen. Nachdem sie in einer Ecke der Schänke platz genommen hatten, berichtet Jan über sein Vorhaben. Dabei schaute er sich vorsichtig um, damit keiner der anderen Gäste etwas mitbekam.
Denn schon auf dem Weg nach Donsbrüghe, bemerkte Jan seltsame, mystische Schwingungen in der Luft. Möglicher Weise wurde er schon von den satanischen Dämonen Gieremund oder dem blutrünstigen Werwolf Grimm beobachtet.
Alexander und Michel waren sofort bereit dem Freund zu helfen, um ihn bei seiner geheimen Mission zu begleiten. Sie tranken noch ein Bier zusammen und verabredeten sich für nächsten Morgen, um Richtung Heimstatt aufzubrechen.
Wie miteinander vereinbart, pilgerten sie am frühen Morgen, als Mönche mit Kutte und Kapuze bekleidet, den alten Handelsweg Richtung Meer entlang. Es war regnerisch und ein kalter Wind blies ihnen ins Gesicht. Jan hatte das geheime Buch unter der weiten Mönchskutte, mit seiner magischen silbernen Kette, am Körper festgeschnürt. Mit dieser besonderen Kette war er weitestgehend vor den satanischen Dämonen geschützt.
Mit ihr hatte er Lohengrin vor langer Zeit als weißer Schwan über den Kermisdahl zur Schwanenburg nach Kleve gezogen.
So war das geheime Buch gut geschützt und konnte nicht von anderen wahrgenommen werden. Als sie in Höhe der alten Windmühle von Donsbrüghe ankamen, hielt Jan inne.
„Ich habe mir was überlegt, das uns helfen kann“
sagte er zu Alexander und Michel. Deshalb bog er mit ihnen in die lange Einfahrt zur Mühle ab.
„Den alten Müller und den im Mühlenturm lebenden Mühlengeist kenne ich gut. Ich werde sie bitten mit Hilfe der Mühlensprache, die anderen Müller in der Düffelt zu informieren, dass an der Heimstatt eine Versammlung der Ritterschaft und adeligen Herrschaften stattfinden soll. Als dann sollen die Müller ihrer adeligen Herrschaft mitteilen, sich auf den Versammlungsplatz einzufinden. Als der alte Müller Jan erkannte war er sehr erfreut ihn wieder zu sehen. Er begrüßte die drei Pilger in heimlicher Mission herzlich und fragte sofort was er für sie tun könne.
Jan wusste, dass sich die Müller untereinander, je nachdem wie sie die Flügel ihrer Mühle stellten, bei Freud und Leid verständigten. Da auf fast jedem Dorf in der Düffelt eine Windmühle stand, konnten sie so von Mühle zu Mühle, über die Weiten der Niederung hinweg wichtige Nachrichten verbreiten, ohne dass sie ihre Mühle verlassen mussten. Gesagt getan, wanderten die drei „Mönche“ mit dem Spruch des Mühlengeistes von Donsbrüghe auf den Lippen „In Wind und Wetter ist Gott mein Retter“ weiter.
Der Meerer Weg ließ sich nur mühsam begehen, nach dem letzten Hochwasser war er noch sehr
aufgeweicht, so dass er nicht mit Fuhrwerken befahren werden konnten. Da es auch wieder stark zu regnen und zu stürmen begann, hofften sie in der naheliegenden Scheune vom Bausenhof, Schutz zu finden.
Was Jan dort erfuhr bereitet ihm allerdings große Sorgen. Mattes der Knecht vom Bausenhof berichtete mit Panik in den Augen, dass in der vergangenen Nacht der dämonische Grimm auf dem nahe gelegenen Schloss Clarebeeck gewütet habe. Dabei hatte der blutgierige Grimm seiner jüngsten Tochter, die als Bedienstete auf dem Schloss arbeitete, ihr neugeborenes Kind in einem unbedachten Moment, aus den Armen gerissen und getötet.
Er war also wieder unterwegs der alte, blutrünstige Grimm, wusste Jan sofort. Immer und immer wieder tyrannisierte der Dämon die Menschen in der Düffelt.
„Jo,“ sagte Mattes in dem hier gesprochenem kleverländischem Dialekt,
„ma heij es niet märr alleen, dän Werwolf het sich van Griethuise üt bess hier henn vermeert,“
fuhr er mit bebender Stimme fort,
„et worre ömmer meer van dij Duivels, weij weeten niet märr wier, wat mott dan nog alles geböre.“ brach er weinend zusammen,
„et was min erste Kleinkind, än dän verdammde Grimm hätt dat kleine Wörmke ömgebrocht.“
„Wir werden versuchen euch zu helfen“ versprach Jan, wobei seine beiden Begleiter Alexander und Michel heftig mit dem Kopf nickten, ohne etwas über ihr geheimes Vorhaben zu verraten.
„Eins müsst ihr mir aber versprechen, geht zu eurem Herrn Johann von Klarenbeek aufs Schloss und sagt ihm, dass er sich umgehend auf den Thingplatz einfinden soll, nennt ihm meinen Namen, dann wird er dir Glauben schenken. Geht ohne Furcht zu ihm, aber sagt niemanden sonst etwas davon.“
Der Knecht verbeugte sich artig und eilte noch in der Nacht zum Schloss wie ihm von Jan geheißen wurde.
Auch Jan und seine zwei Begleiter machten sich sofort wieder auf den Weg, nachdem sie die Hiobsbotschaft des Knechtes vernommen hatten. Die teuflischen Ungeheuer waren zu mächtig geworden, als das er noch länger warten konnte.
Kaum waren sie aufgebrochen, da krachte kurz vor der Biegung zum Lindenhof eine riesige alte Eiche neben ihnen auf dem Weg nieder. Ein großer Schwarm Vögel, die bei dem schlechten Wetter Schutz in dem Baum gesucht hatten, schwärmten aufgeschreckt in die dunkle Nacht hinein. Jan meinte sogar ein höhnisches Lachen von Gieremund dem satanischen Drachenvogel, in dem aufgescheuchten Vogelschwarm vernommen zu haben.
Er wusste nun, dass ihre Tarnung als pilgernde Mönche schon früh aufgeflogen war. Grimm war zugegen und beobachtete sie.
Am Sturm konnte es nicht gelegen haben, dass der starke Eichenbaum umgestürzt war. Jan vermutete, dank seiner mystischen Eingebung, dass der Kampf zwischen den Welten um die Herrschaft von Gut und Böse, längst begonnen hatte. Er spürte den enormen Druck, der auf ihn lastete. Jan hatte schließlich auch die Verantwortung für seine beiden Freunde Alexander und Michel.
Sie waren nur knapp dem Tod entronnen als die riesige Eiche neben ihnen umstürzte. Den Schock noch in den Gliedern und sich immer umschauend waren sie inzwischen an der Mühle von Meer angekommen. Dort brach große Unruhe aus, als sie von dem dramatischen Vorfall beim Lindenhof hörten. Angst machte sich auch hier breit.
Der Müller und sein Gehilfe hatten die Botschaft der Flügelstellung von der Donsbrügger Mühle bereits empfangen und sofort ihren Herrn von Burg Zelhem informiert. Ihr Lehnsherr Hermanus von Eyl war daraufhin sofort zum Versammlungsplatz geeilt. Auch er wollte unbedingt mit den anderen adeligen Herren der Düffelt zusammentreffen, um die Düffelt von dem teuflischen Gesindel zu befreien. Schließlich wurde das lange verschollene, geheime Buch in seiner Burg Zelhem wieder entdeckt.
Obwohl sie schon recht erschöpft waren, liefen Jan und seine beiden Freunde zielstrebig Richtung Niel und der nahegelegenen Heimstatt. Als sie dort am Galgenacker vorbeikamen, sahen sie voller Grauen, wie sich Gieremund an zwei gehängte Räuber zu schaffen machte. Jan setzte all seine mystische Kraft ein und schaffte es, dass Gieremund mit lautem Gekreische und Blut getränktem Gefieder in die heraufziehenden dunklen Wolken entschwand. Ein starker, süßlicher Leichengeruch machte sich breit.
Alexander und Michel hielten sich die Nasen zu, so etwas hatten sie noch nicht erlebt. Sie klammerten sich an Jan und seiner Mönchskutte fest, der schützend seine Hand über sie hielt.
An der Heimstatt angekommen war Jan von der großen Anzahl der adeligen Herrschaften überwältigt, die gekommen war. Die Botschaft, die er über die Flügelstellung der Mühlen verbreitet hatte, war überall in der Düffelt angekommen.
Endlich hatten sie nun die große Chance gemeinsam gegen die satanischen Dämonen vorzugehen, um sie für immer zu vernichten.
Mit Hilfe der germanische Gottheit Tyr, dem Schutzherrn des Rechts, Wächter der Heimstatt und dem geheimen Buch, konnte dies nun endlich gelingen.
Der Schutzherr des Things spannte sofort einen unsichtbaren mystischen Schirm über den Versammlungsplatz, so waren die Teilnehmer geschützt und konnten nicht von den satanischen Dämonen bedroht werden.
Jan trat unterdessen mit der übermächtigen Gottheit Tyr in Verbindung. Dieser hatte ihn schon erwartet und übernahm sofort das geheime Buch.
Beide begaben sich dann in die Mitte der Heimstatt wo die Fürsten der Düffelt ungeduldig warteten….
Kapitel 3
Kladderadatsch und Duivelsmelk
Noch nie war die komplette, adelige Elite der Düffelt an der Heimstatt zusammengekommen. Hier an dem ältesten Landweg zwischen Xanten und Nijmegen, wo schon die heidnischen Bataver ihren Kult- und Opferplatz abgehalten hatten, vielen alle wichtigen Entscheidungen.
In der Vergangenheit hatten die Düffelt Oberen lediglich ihre Vertreter oder die Verwalter zu den Versammlungen geschickt, um Probleme zu lösen. Obwohl fast alle adeligen Häuser miteinander verwandt waren, hatten Eitelkeiten und eigener Machterhalt dazu geführt, dass sie nie gemeinsam gegen die satanische Brut angekämpft hatten.
Nur so konnten der alte, dämonische Wolf Grimm mit seiner skrupellosen Sippschaft und der teuflische Drachenvogel Gieremund ihr Unwesen so lange Zeit in der Düffelt treiben.
Die Gottheit Tyr, Beschützer der Heimstatt, ritt erhaben über Gut und Böse auf seinem schwarzen Hengst, in die Mitte des Versammlungsplatzes. Er begrüßte die Anwesenden mit fester Stimme;
„Ehre euch wohl geborenen, edlen Herren. Wir sind heute zusammen gekommen, um gemeinsam gegen die Teufelsbrut hier in der Düffelt zu kämpfen.“
Ein zustimmendes Raunen ertönte über die Heimstatt, als er fortfuhr;
„Jan der Fischersohn aus Nütterden, sein Mentor Ritter Lohengrin, seine treuen Gefährten Junker Alexander und der Knappe Michel, haben das geheime Buch der Düffelt gerettet und unter großen Gefahren zu uns gebracht. Ich, eure Gottheit des Rechts und Beschützer der Heimstatt habe den verschlüsselten, geheimen Code des Buches aufgelöst, so dass es nun von jedermann zu lesen ist, der die nötigen mystischen Fähigkeiten besitzt und Gutes im Schilde führt.“
Zustimmender Beifall unterbrach die Gottheit und schallte in Richtung Jan über den Versammlungs-platz, der das geheime Buch voller Stolz in die Höhe hielt.
„In dem Buch können wir lesen, wie wir Grimm und Gieremund für immer vernichten können.“
Wieder wurde Tyr in seinen Ausführungen unter-brochen.
Diesmal aus einer Ecke, von wo auch kein Beifall kam, als die anderen Mitglieder der Versammlung Jan applaudierten.
„Wat vertällt gej ons fönnen quatz“
schrie Graf Balderich von der Burg Mergelpe aus Wylre auf Kleverländisch in die Runde und pflanzte sich mit seinen beiden Knappen, wichtigtuend vor Tyr auf, als er keifend fortfuhr,
„bej ons in Wylder gefft et geen Dämone. Dorr wo ek sin kann ek alles alleen regele, dor brügg ek geen hölp. Sön gequatze kann ek niet met anhöre, ek mak minn eigen Deng, dafor heb ek ow nit nödig“
Balderich stand schon lange in Verdacht, dass er mit dem Satan paktierte, um seine eigene Macht in der Düffelt auszuweiten und um die Menschen mit Gewalt zu unterdrücken. Darum erwiderte Tyr dem Grafen, ärgerlich geworden vor so wenig Respekt vor ihm und den anderen Versammlungsmitgliedern, auch auf Kleverländisch;
„Pott verdomme Balderich, now hebben wej dän Kladderadatsch, hebt gej Duivelsmelk gesoope, makt dat gej wech kommt norr Wylder. Gej salt wäll siehn watt gej davan hebt, ek schlütt ow forr ömmer van onse gemeenschap hier üt.“
Der so gescholtene fuchtelte wild mit seinem gezogenen Schwert in der Luft und verließ unter Schmährufen der anderen Teilnehmer, wutentbrannt die Heimstatt. Gegen den mächtigen germanischen Gott Tyr konnte Graf Balderich nicht ankommen. Erst als Graf Balderich den Schutzschirm der Versammlung verlassen hatte, den Tyr über den Versammlungsplatz gespannt hatte, sprach Tyr mit
Erhobener Hand weiter was in dem geheimen Buch geschrieben stand, um die Dämonen zu vernichten;
„Es steht geschrieben, mit dem Kreuz der Düffelt, das in einer verschlossenen Kammer des Stiftes Zyfelyck verwahrt wird, können wir das Böse endgültig besiegen. Dieses Kreuz allein hat die magische Macht, die Dämonen für immer zu verdammen. So steht es im geheimen Buch geschrieben und so soll es sein.“
Während er mit dem rechten Armstupf ohne Hand, die er bei dem Kampf mit einem Werwolf verloren hatte, auf Jan zeigte fuhr er fort,
„Jan der Fischersohn aus Nütterden wird zum Stift Zefelyck reisen. Mit Erlaubnis des hier anwesenden Dekans von Zefelyck, dem Grafen Dietrich VI von Cleve, wird er sich Zutritt in die verschlossene Kammer verschaffen und das Kreuz der Düffelt holen. Dann wird Jan das Kreuz den Dämonen entgegenhalten. Nur in seinen Händen hat es eine so starke mystische Kraft, dass sie in die satanische Hölle verbannt werden, von wo sie nicht mehr in die Düffelt zurückkehren können.
Da dieses sterblichen Menschen nicht möglich ist, werde ich Jan und seine beiden Begleiter mit noch stärkeren, mystischen Kräften ausstatten, damit sie die Aufgabe erfüllen können. Unterstützt sie, soweit ihr könnt wenn sie euch um Hilfe bitten“
Tosender Beifall erschallte zur Zufriedenheit aller über die Heimstatt. Bevor Gott Tyr die Versammlung aufhob, verkündete er noch,
„Dies ist mein Richterspruch. Meine Worte sind Gesetz und von jedem Anwesenden hier zu befolgen.“
Dann entschwand er auf seinem stolzen, schwarzen Pferd in die mystische Region zwischen den Welten.
Es war eine große Ehre für Jan, dass die Edlen der Düffelt ihm so viel Vertrauen entgegenbrachten. Er war auch Stolz, dass er von der Gottheit des Things Tyr persönlich, mit neuen mystischen Kräften ausgestattet wurde.
Junker Alexander und Knappe Michel waren die ganze Zeit nicht von Jan seiner Seite gewichen. In der Hoffnung, dass sie ihn weiter begleiten dürfen, freuten sie sich auf die neue Aufgabe mit ihm. So etwas wie in den letzten Tagen hatten sie schließlich noch nie erlebt, schon gar nicht, dass sie nun auch unter den mystischen Schutz der Gottheit Tyr stehen sollten.
Wie werden Jan, Alexander und Michel wohl im Stift Zefelyck empfangen, zumal sie wussten, dass der undurchsichtige Graf Balderich und seine ebenfalls gefürchtete Frau Adela das Stift gegründet hatten………
Kapitel 4
Das Kreuz der Düffelt
Dunkle Wolken zogen über die Düffelt, als sich Jan der Fischersohn aus Nütterden und seine Freunde Alexander und Michel aus Donsbrüghe, gestärkt von der Gottheit Tyr und der Thingversammlung, auf den Weg Richtung Stift Zefelyck machen.
Ihnen war bewusst, dass sie auf einem schwierigen Weg waren. Sie befanden sich im Einzugsbereich des Grafen Balderich und seiner Frau Adela, von der Burg Mergelpe in Wylre.
Durch den Sturm der plötzlich einsetzte, peitschte ihnen ein harter Regen ins Gesicht. Jan, dem das auftretende Unwetter nicht geheuer war, sah überraschend die hässliche Fratze des alten Grimm zwischen den schwarzen Wolken am Himmel. Jan hatte es schon geahnt, das Ungeheuer hatte sie verfolgt. Ein fürchterliches Jaulen, begleitet von einem Gestank von Aas breitete sich über die Düffelt aus.
Da sie durch die mystische Kraft, die Tyr ihnen verliehen hatte, geschützt waren, konnte ihnen das Ungeheuer vorerst nichts anhaben. Trotzdem steuerte Jan den nächstgelegenen Hof an, um Schutz vor dem Unwetter für sich und seine ängstlich gewordenen Begleiter zu suchen. Das dies der geheimnisvolle Hof Germezeel war und Ihnen dort noch weitere Ungemach bevorstand, ahnten sie da noch nicht.
Jan klopfte mit seinem Pilgerstab an der schwarzen Eingangstür des Hofes an. Nach mehrmaligen Versuchen hörte er eine kreischende Stimme auf Kleverländisch rufen;
Wej koopen nex an de Döör, dän heer es nit tüss, än ek loot genman benne, makt dat gej wäch kommt.“
„Wir sind durch das Unwetter völlig durchgenässt und suchen nur für diese eine Nacht eine Unterkunft. Bitte macht auf und helft uns“
rief Jan zurück. Eine gefühlte Ewigkeit antwortete niemand, darum versuchte Jan es noch mal und schlug dieses Mal kräftiger gegen die Türe.
„Macht bitte auf, wir können auch was zahlen“
schrie Jan nun lauter, in der Hoffnung, dass er gehört wurde. Im Haus rührte sich nichts mehr.
Ein scheinbar durch die Fremden und dem starken Sturm erschreckter großer Rabenvogel flog plötzlich aus einer Nische des Hofes über Jan und seine beiden Begleiter hinweg. Jan erschrak zuerst, vernahm aber dann eine wohlklingende, mystische Stimme, die rief;
„Das Scheunentor steht offen, hier könnt ihr für die Nacht unterkommen.“ Der Rabenvogel zeigte ihnen den Weg, indem er ihnen voraus flog.
Als sie um das Haus herum gingen, sahen sie tatsächlich, wie der Vogel durch das offene Tor in die Scheune verschwand. Jan verstand dies als gutes mystisches Zeichen. Endlich fanden sie Schutz für die Nacht.
Am anderen Morgen wurde Jan von einem schmalen Sonnenstrahl, der ihm direkt durch eine Luke vom Dach der Scheune ins Gesicht schien, geweckt.
Der Rabenvogel hatte die ganze Nacht im Gebälk der Scheune Wache gehalten. Als er laut krächzend und mit den Flügen heftig schlagend, durch das Scheunentor nach draußen flog, wachten auch Alexander und Michel auf. Sie hörten den Raben rufen;
„Krah, krah…dort draußen lauert Gefahr…..krah, krah….. dort steht die furchtbare Gräfin Adela…“
Kaum hat Jan dies vernommen, bemerkte er eine hagere alte Frau im offenen Tor der Scheune stehen.
„Watt hebt gelli hier te süke…..änn watt wellt u hier,“
kreischte die Frau.
Jan spürte sofort die mystische Gefahr, die von ihr ausging und zog seine Begleiter zu sich ins Freie. Hier machte sich wieder Schwefel und Aasgeruch breit, er ahnte, dass die satanischen Dämonen wieder in der Nähe waren.
„Wir haben nur Rast gemacht, gute Frau. Wir sind schon wieder auf den Weg“
versuchte Jan sie zu beschwichtigen, er erkannte aber sofort die keifende Stimme von gestern Abend. Ihm war bekannt wie gefährlich Gräfin Adela sein konnte. Schließlich eilte ihr der skrupellose Ruf voraus, ihre Schwester und einen ihrer Söhne aus Habgier ermordet zu haben.
„Oh nein, bleibt doch“
hauchte sie verräterisch leise, diesmal nicht auf Kleverländisch, in Richtung Jan. Von dem einen zum anderen Moment wechselte sie ihre vorher so feindselige Stimme in eine scheinbar freundliche um.
„Kommt doch herein und stärkt euch mit einem kräftigen Frühstück, bevor ihr weiterreist.“
wollte die Gräfin Jan und seine Begleiter mit heuchlerischem Ton locken, wobei sie versuchte sich zwischen ihnen zu drängen.
Plötzlich aber zogen wieder schwarze Wolken über Germenzeel auf. Jan war gewarnt und ahnte was Adela vorhatte. Sie wollte die Gruppe am Weiterreisen hindern. Mit aller ihm zur Verfügung stehenden mystischen und physischen Kraft zog er Alexander und Michel zur Seite, als auch schon ein Blitz, verbunden mit einem ohrenbetäubenden Donnerschlag, in den Hof einschlug.
Die Gottheit Tyr war seinen drei Schützlingen zu Hilfe gekommen. Er hielt weiterhin seine schützende Hand über sie und hatte den teuflischen Plan von Adela ebenfalls rechtzeitig erkannt und den Blitz und Donner geschickt.
Die Gräfin war nicht mehr zu sehen, als das ganze Anwesen plötzlich in Brand stand. Das flammende Inferno nahm seinen Lauf. Jan und seine beiden Freunde nutzten die Verwirrung und entfernten sich schnellen Schrittes von dem gruseligen Ort des Geschehens in Richtung Zefelyck. Von weitem sahen sie den riesigen Feuerschein. Das ganze verfluchte Gut Germenzeel wurde ein Raub der Flammen.
Konnte sich die grausame Gräfin Adela noch retten? Dies sollte Jan allerdings erst viel später erfahren.
Das Wetter hatte sich nicht gebessert. Ein heftiger Wind blies Jan und seinen beiden Freunden heftig ins Gesicht. Sie hatten zum Schutz gegen den Regen ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen. Darum bemerkten sie die Reiter nicht sofort, die ihnen auf dem so genannten Germenzeelschen Deich entgegenkamen.
„Ho, ho, ho makt dän Wäch freej“
hörte Jan einen der Reiter auf Kleverländisch laut rufen und sprang zur Seite. Dabei riss er seine beiden überraschten Begleiter mit, die durch seine heftige Bewegung, in den sumpfigen Graben neben dem Weg rutschten.
Jan erkannte in den Reitern die Edlen der Biesenburg und der Burg Haelt bei Dyfelwerdt mit ihren Knappen. Er hatte die Herren schon auf der Versammlung bei der Heimstatt kennengelernt.
Als Jan seine Kapuze in den Nacken schob, erkannten die Ritter ihn auch.
„Gelli mott versechtig sinn Jan, wej kommen nu van Cranneborgh, dorr es dän Duivel loss. Graf Balderich van Wylre spöölt veröckt än well norr Cranneborgh benne. Sej hebben all de Nyeumeghse Poort decht gemakt.
Wej reeje no norr Oye, Loeudtt, Kekerdom en Myllinghen en hoole nog meer hölp.“
Sprach der Ritter zu Jan, der dabei war Alexander und Michel aus dem morastigen Graben zu ziehen.
„Wir werden besonders vorsichtig sein, bis wir das Stift in Zefelyck erreicht haben, reitet schnell weiter, um Hilfe zu holen, damit den Cranneborghern geholfen wird“
antwortete ihm Jan.
„Gott mit Euch edle Herren“
rief auch Alexander den Edelleuten nach, die sich mit schnellem Galopp entfernten, während er sich den Schlamm von der Kutte rieb. Auch der ebenfalls völlig durchnässte Michel war damit beschäftigt seine Kutte zu reinigen.
Obwohl sie mit der nassen Kleidung nicht so schnell vorwärtskamen, drängte Jan sie zur Eile. Er wollte noch vor der Dämmerung im Stift ankommen.
Nach der nächsten Biegung des Weges, konnte Jan in der Ferne die Kirche von Zefelyck schon erkennen. Er war wieder mal sehr angespannt, weil über ihnen der schwarze Rabenvogel aus der Scheune von Germezeel kreiste. Einerseits war Jan froh Hilfe durch den Raben zu haben, andererseits wusste er sofort, dass wieder Gefahr von irgendwo her drohte. Er trieb seine jungen Freunde noch mehr an, schnell vorwärtszukommen.
„Krah, krah, der blutdürstige Gieremund ist da“
schallte es plötzlich von dem Raben, der Mühe hatte gegen den starken Wind anzukämpfen. Kaum hatte Jan die Warnung vernommen, sah er auf dem Dach des Stifts, dort wo sonnst die Euwer der Düffelt Rast machten, den satanischen Drachenvogel Gieremund sitzen, der laut kreischend mit seinen großen Flügeln schlug. Jan zog seine Schützlinge an sich um sie zu schützen, als sich Gieremund von dem Dach der Kirche auf sie stürzten wollte. Dank des mystischen Schutzschildes das den Dreien umgab, prallte der Satansvogel auf halber Höhe ab, so dass er laut schreiend davon flog. Starker Verwesungsgeruch machte sich wieder breit.
Jan war inzwischen an der Pforte des Stiftes angekommen und schlug mit den Fäusten gegen die große schwere Eichentür. Diese öffnete sich wie von selbst, so dass er mit Alexander und Michel hinein gehen konnte. In dem Stift glaubten sie in Sicherheit vor den Dämonen zu sein.
Als sie die imposanten Mittelschiffarkaden der Kirche von Sankt Martini sahen, erfasste sie ein ehrfürchtiges Gefühl. Alexander und Michel sanken auf die Knie. Sie konnten kaum glauben, dass der räuberische Graf Balderich und seine Frau Adela solch ein imposantes Stift erbauen ließen und gleichzeitig die Menschen in der Düffelt mit satanischen Dämonen knechteten.
Jan, dem einseitiges religiöses Empfinden fremd war, konzentrierte sich schon wieder auf seine schwierige Mission. Er bemerkte in einem kleinen Seitenschiff einen alten betenden Mann. Jan wollte den frommen Mann nicht bei seiner Andacht stören, als der Mann aber zu ihm aufsah, blickte er mit Schrecken in ein blutiges, schmerzverzerrtes Gesicht.
„Was ist geschehen, kann ich dir helfen“
fragte Jan den Alten. Dieser stöhnte vor Schmerzen laut auf und seufzte;
„ek sinn dän Cellarius Anselm hier van et Stift, ek heb op ow gewacht, öm ow met tedeele, dat et hellige Kruis van de Düffelt niet märr hier in et Stift ess.“
Der Mann röchelte nur noch und Blut lief aus seinem Mund als er leise, fast unverständlich fortfuhr;
„datt hellige Kruiss es no in seekerheit, Adela dat schlächte wiff än Gieremond hebben min gefoltert. Sej wollden weete worr datt hellige Krüss äs, ma ek heb nitt verroje worr et ess…… Ek heb al gesteren twee van min beste Menze met dat hellige Krüss nor et Schlott van Cranneborgh gescheckt, dorr inne Törmkamer ess et seeker. Gej könnt de isere Dör alleen met enne geheime Code loss make“
Cellarius Anselm atmete nur noch ganz langsam als er den geheimen Code in Jan’s Ohr flüsterte.
Alexander und Michel, die nun auch auf den alten Mann aufmerksam wurden, kamen herbei um zu sehen was geschehen war.
Das was Jan schon geahnt hatte, war nun Gewissheit. Die Gräfin Adela war nicht in den Flammen von Germenzeel umgekommen. Sie trieb ihr Unwesen mit Hilfe der Dämonen weiter.
„Was können wir für dich tun?“
fragte Jan den stöhnenden Cellarius noch mal.
Aber es war zu spät, der schwer Verletzte Anselm schloss die Augen und verstarb in seinen Armen.
„Das ist mir alles zu gefährlich hier“
wandte sich Jan besorgt an seine Freunde Alexander und Michel, als er den toten Körper des Alten behutsam auf die Kirchenbank legte.
„Ihr werdet umgehend zu euren Familien nach Donsbrüghe zurückkehren. Ich muss euch vor weiteren Gefahren schützen. Zieht eure Mönchskutten aus, die Dämonen haben sich auf diese Kutten konzentriert.
Begebt euch zielstrebig in den Hafen von Zefelyck. Dort wartet ein Fischerboot, mit dem ihr sicher über die Klarebeeke direkt nach Hause fahren könnt. Wenn ihr vorsichtig seid, wird euch nichts geschehen. Ich danke euch, dass ihr mich bis hierher begleitet habt. Ihr werdet für eure Tapferkeit fürstlich belohnt werden. Von nun an werde ich alleine nach Cranneborgh gehen.
„Nein, nein, wir wollen bei dir bleiben und dir helfen“
riefen beide fast gleichzeitig, Jan zugewandt.
„Mein Entschluss steht fest ich werde allein weiter gehen, oder wollt ihr so enden wie der alte Cellarius Anselm. Die satanischen Unholde haben uns als Mönche verkleidet erkannt und sind uns ständig auf der Spur.“
erwiderte Jan und zeigte dabei auf den misshandelten Toten. Alexander und Michel merkten, dass Jan keinen Widerspruch duldete. Sie verabschiedeten sich von ihrem Freund. Dieser beschwor noch einen zusätzlichen mystischen Schutz auf die Beiden, bevor sie das Stift Zefelyck verließen.
Jan rief im Stift nach Hilfe, um den verstorbenen Cellarius würdig bestatten zu lassen. Er musste auch eben zur Ruhe kommen und seine Gedanken ordnen. Nun da das Kreuz der Düffelt nicht mehr hier im Stift war, musste er versuchen allein zum Schloss nach Cranneborgh zu kommen.
Jan weiß noch nicht, wie er an das Kreuz der Düffelt gelangen kann, um seine schwierige, geheime Mission zu erfüllen. Was wird ihn in Cranneborgh erwarten? Wie kommt er in die Schatzkammer der Burg hinein? Wird es ihm überhaupt gelingen an das magische Kreuz der Düffelt zu kommen? Was unternimmt der unberechenbare Graf Balderich und seine teuflische Frau Adela noch alles, um ihn von seiner Mission abzuhalten?
Wann trifft er wieder auf Gieremund und Grimm? All diese Fragen stellte sich Jan, als er sich allein über die Tiggelstraße Richtung Cranneborgh aufmachte……
Kapitel 5
Der Blutmond über Cranneborgh
Als Jan der Fischersohn vor dem Wässerungsgraben der Rodungssiedlung Cranneborgh ankam, herrschte Chaos. Die Menschen drängten zum neu errichteten, aus Ziegelsteinen erbauten Stadtschloss. Sie suchten Schutz vor dem hier herrschenden Kriegsgeschehen.
Dunkle Rauchschwaden waberten gespenstisch über den Ortseingang der Nymegherpoort, als aus Richtung Wylrebergh ein lautes, verräterisches Kriegsgeschrei zu hören war. Überall lagen Tote und schreiende, verletzte Menschen.
Ein weiteres, mit Schwertern und Bogenschützen bewaffnetes Ritterheer, jagte die ängstlichen Menschen in den morastigen Wassergraben vor der Siedlung, in dem schon zahlreiche brennende Fuhrwerke lagen.
Es waren die wilden Mannen von Graf Balderich, die ohne Rücksicht auf die flüchtenden Menschen, zum Sturm auf Cranneborgh bliesen.
Jan hielt sich seitlich an der Tiggelstraße, auf einer kleinen, künstlichen Anhöhe auf. Dort wo einst die geschleifte hölzerne „Alde Börg“ gestanden hatte. Von hier aus hatte er einen guten Überblick auf das gespenstische Geschehen. Er war sehr angespannt, weil er ungute mystische Schwingungen spürte, die ihm anzeigten, dass die satanischen Dämonen nicht weit sein konnten.
Unterhalb des alten Burghügels sah er Händler, die Schutz hinter ihrem großen, umgestürzten Wagen gefunden hatten. Ihre Pferde hatten sich in Panik von dem Fuhrwerk losgerissen und waren geflüchtet. Die Fracht, Körbe mit Käse, die für die Bewohner des neuen Stadtschlosses gedacht schienen, lagen halb geöffnet, verstreut auf der angrenzenden Weide.
Jan bekam gerade noch mit wie einer der Kaufleute zu dem anderen auf Kleverländisch sagte, kom mett än lot dän Käs dor op de Weij legge, ek weet wij wej onbemerkt innet Schlott komme könne, min Schondochter kokt op et Schlott, dor onder an de Wotergraaf es en kleine geheime Döör inne Mur. Wän ek drie keer tegen de Dör klopp, wört min opgemakkt.“
Jan sprang sofort von dem Hügel herunter als er das hörte und sprach die Beiden aufgeregt an;
„Nehmt mich mit, ich muss unbedingt auf ’s Schloss, es soll euer Schaden nicht sein.“
Scheinbar erschrocken fuhren die Händler zusammen,
„wij sitt gej dan, än kresst nit so hort, dat mott geen Mens höre, watt wej hier bespräke“
wandte sich der größere an Jan und zog ihn heftig zu sich heran.
Der vermeintliche Angreifer wurde so heftig vom magischen Schutzschild, das Jan umgab, auf die Deichsel des umgestürzten Wagens gestoßen, dass er sich dabei tödlich verletzte.
Ein lautes, kreischendes Geräusch ertönte und mit großem Getöse stieg eine übelriechende Schwefelwolke empor. Gleichzeitig schrie der zweite Händler einen erbärmlichen Fluch aus. Beide Händler wurden von einem Moment zum anderen vom Erdboden verschluckt.
Jan erkannte, dass die vermeintlichen Kaufleute sogenannte „Untote“ waren, die als fantastische, höllische Wesen als „Wiedergänger“ zu den Lebenden kamen, um Ihnen zu schaden. Oft traten sie auch in Tiergestalten, insbesondere auch als Werwolf auf.
Jan hatte seine Gedanken noch nicht zu Ende gebracht, als er ein höhnisches Lachen in der Luft vernahm. Die grinsenden Fratzen von Grimm und Gieremund zeigten sich an dem mit dunklen Wolken behangendem Himmel über Cranneborgh.
War das wieder ein Werk von Adela, der Gräfin des Bösen und ihrem kriegerischen Mann Graf Balderich?
Die satanische Bedrohung war also nicht fern, sie ist immer zu gegen erinnerte sich Jan sofort. Beinahe war er auf die angeblichen Händler hereingefallen. Er musste noch vorsichtiger sein, damit niemand seine geheime Mission verhindern konnte.
Jan nutzte das Durcheinander der vor Angst schreienden Menschen um ihn herum und lief zügig in Richtung Stadtschloss. Er wollte nachschauen, ob es das kleine Tor an der Nordseite des teilweise trockengelegten Kranenburger Bruchs wirklich gab.
Jan bemerkte wie er in der Luft wieder von dem großen, mystischen Rabenvogel, der ihn die ganze Zeit bewacht hatte, begleitet wurde. Das beruhigte ihn sehr, wusste er nun doch, dass er nicht ohne zusätzlichen Schutz war.
Es hatte wieder angefangen stark zu Regnen, als Jan vor der von Sträuchern und Bäumen verdeckten Tür des Stadtschlosses ankam.
Der Rabe setzte sich auf die Zinnen der Festung und rief ihm warnend zu;
„Krah, krah, krah…. sie ist schon da…. die Gräfin Adela……. krah, krah, krah…“
Natürlich konnte nur Jan mit seinen mystischen Fähigkeiten den Raben hören und verstehen.
Als Jan die geheime Tür durchschritt, überfiel ihn ein seltsames Gefühl. Er war nun gewarnt. Die schwere Tür war nur angelehnt, so dass Jan gar nicht klopfen musste. Nachdem er durch einen niedrigen Gewölbeflur gegangen war, stand er mitten in der Schlossküche, wo ein emsiges Treiben herrschte. Cirka 15 schwitzende Gestalten waren in dem Hallen ähnlichen Raum damit beschäftigt, Speisen zu zubereiten. Ein Geruch von Braten und gekochtem Gemüse verbreitete einen kräftigen, verführerischen Duft. Automatisch überkam Jan ein Hungergefühl, hatte er doch in den letzten Tagen nur wenig Gelegenheit gehabt etwas zu Essen.
Von dem heftigen Kriegsgeschehen draußen vor dem Schloss, war hier in dem dicken, steinernen Gemäuer nichts zu hören als eine laute, schrille Frauenstimme aus dem Hintergrund durch die Küchengewölbe hallte;
„Makt de Poort decht, dor met nit all dat Gesindel härrin komme kan“
Jan erkannte die Stimme von Gräfin Adela sofort und war gewarnt. Er konnte sie nicht sehen, bemerkte aber wie die Anwesenden zusammenzuckten und mit gesengten Köpfen weiterarbeiteten. Zwei Bedienstete unterbrachen ihre Arbeit an den Kochtöpfen und rannten hastig zur Tür, um sie zu schließen. Sie schoben zwei große Riegel vor die Tür, so dass keiner mehr unbemerkt hinein oder heraus kam.
Erstmal konnte Jan nun aber auch nicht mehr aus dem Schloss heraus, umso schneller musste er versuchen in das Turmzimmer zu kommen, dort wo das magische Kreuz der Düffelt verborgen war.
Einer der Köche kam überraschend auf ihn zu und hielt ihm eine dampfende Schüssel hin,
„hier hebt gej n Schotel met Wortle ondereen än een stöck Flöns dorbej, gej likt ütt as wän gej dat verdrage könt,“
Sprach der Koch den Fischersohn in der hier üblichen Dialektsprache an. Als Jan die Speise dankend entgegennahm, hörte er wie der Koch ihm zuflüsterte;
„gej mott gau de Tapp norr bove in dän Törm van et Schlott goon, dor es die Kamer, worr dat Krüss verstoppt es. Ma gej mott oppasse, hier stemmt wat nitt“
Kaum hatte er das ausgesprochen fasste sich der Koch an die Brust und sank, von tödlichen Strahlen getroffen, auf den Boden. Die Schüssel mit Speisen schepperte dabei auf den steinernen Boden.
Jan erschrak, sofort erkannte er die Gefahr wieder und hechtete die steile Treppe hinauf. Als er kurz zurückschaute, sah er nur in graue, ängstliche Gesichter. Er ahnte, dass die satanische Brut um Gräfin Adela das Stadtschloss schon längst erobert hatte. Sie war es, die die geheime Tür des Stadtschlosses öffnen lies damit Jan hereinkommen konnte. Außerdem war sie für den Tod des Kochs und die Lethargie der anderen Küchenmitglieder verantwortlich. All das hatte sie inszeniert, um Jan in das Schloss zu locken. Nur so glaubte die durchtriebene Gräfin in den Besitz des Kreuzes der Düffelt zu kommen. Von ihr war allerdings nichts zu sehen.
Jan kam etwas außer Atem im Turm an, ohne dass ihm jemand begegnete. Er klopfte an die schmiedeeiserne Tür des Turmzimmers. Doch niemand öffnete ihm. Jan sah sich um, dann sprach er den geheimen Code, den ihm der sterbende Cellarius Anselm vom Stift Zefelyck ins Ohr geflüstert hatte.
Langsam, mit quietschenden Geräuschen, öffnete sich die massive Eisentüre. Mitten im Zimmer sah Jan das magische „Kreuz der Düffelt“ in einem gläsernen Schrein leuchten. Er öffnete den Schrein vorsichtig und nahm das Kreuz heraus, als er plötzlich knirschende Geräusche hinter sich hörte.
Jan drehte sich langsam um. Die Frau, die er nun sah stand keine drei Meter von ihm entfernt, es war Adela die blutrünstige Gräfin des Bösen. Ihre Augen leuchten rot und ihr Mund verzog sich zu einer grässlichen Fratze, als sie Jan mit dem Kreuz in der Hand sah. Er hielt ihr sofort das magische Kreuz der Düffelt entgegen.
Aus ihren Augen floss Blut und aus ihrem verzerrten Mund quoll grüne Galle, als sich die sonnst so starke Gräfin umdrehte und schreiend zu den Zinnen des Schlossturmes hinaufrannte. Jan folgte ihr sofort. Er konnte gerade noch sehen, wie der teuflische Gieremund sie ergriff und mit einem Feuerschweif in die Lüfte hob. Beide entschwanden mit großem Geschrei auf nimmer Wiedersehen in den dunklen Gewitterhimmel.
Jan fasste das Kreuz noch fester in beiden Händen und hielt es in alle Himmelsrichtungen. Er musste den alten, blutrünstigen Werwolf noch für immer vertreiben.
Dieser zeigte sich plötzlich mit fletschenden Zähnen und Blut triefendem, aufgerissenem Maul über dem Stadtschloss. Grimm wollte sich mit brutaler Gewalt auf Jan stürzen. Der Fischersohn hielt auch ihm das Kreuz direkt entgegen. Getroffen von dem mystischen Bannstrahl des magischen Kreuzes stürzte die Bestie tödlich getroffen in den Schlossgraben. Das Wasser in dem Graben stob auseinander als sich ein großes, feuriges Höllenloch auftat. Das Ungeheuer Grimm versank jaulend in den tosenden Flammen und verbrannte jämmerlich in der Höllenglut. Die Menschen in der Düffelt waren nun für immer von der Satansbestie befreit.
Jan stand auf dem Schlossturm, von hier aus konnte er das ganze, schreckliche Ausmaß des Infernos erkennen. Der rote Blutmond schien über Cranneborgh und die Häuser der Siedlung brannten lichterloh. Die Ritter um Graf Balderich hatten in seinem Auftrag ihr vernichtendes Werk vollbracht. Selbst die kleine Kapelle, in der Nähe des Groesbeeker Baches, lag in Schutt und Asche.
Als Jan in Richtung Nymeghen schaute, sah er wie auch die Burg Mergelep auf dem Duivelsberg brannte. Er konnte beobachten wie die inzwischen eingetroffenen edlen Herren der Düffelt mit vereinten Kräften, die aus allen Teilen des Landes herbeigeeilt waren, den abtrünnigen Grafen Balderich von seiner nun geschleiften Burg vertrieben. Sein räuberisches Ritterheer wurde vernichtend geschlagen. Später erfuhr Jan das Graf Balderich noch bis zum Stift in Zefelyck flüchten konnte, wo er kurz darauf an seinen schweren Kriegsverletzungen starb.
Jan der Fischersohn aus Nütterden hatte seine geheime Mission erfolgreich erfüllt. Er hoffte, dass die Menschen nun für immer von den satanischen Dämonen befreit waren und wieder Frieden in der Düffelt einkehrt.
Das Kreuz der Düffelt wollte er sicher aufbewahren, um es zu gegebener Zeit der neu erbauten Kirche von Cranneburgh zu übergeben.
Erschöpft trat Jan die Heimreise nach Nütterden an. Überall da, wo er auf seine mystischen Freunde und Bewohner der Düffelt traf wurde er für seine heldenhaften Taten gefeiert.
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