Der Köhler und das goldene Kalb
Der Köhler und das goldene Kalb - Dunkle Geschichten aus dem Reichswald -
Es war Herbst geworden, die Bäume des Reichswaldes färben sich bereits und strahlen durch die tief stehende Sonne golden über die Niederrheinlande, als Jan der Fischersohn aus Nütterden eine Eingebung von dem alten, mystischen Meister Merlin erhielt.
Wie auch um Jan dem Fischersohn aus Nütterden, ranken sich viele Legenden um die Gestalt des Merlins. Ist er Druide, Zauberer, Weiser, Seher und Bewahrer eines Königreiches, das er in den Tiefen des Reichswaldes bei Grafwegen erschaffen hat? Seine ganze Existenz ist in ein Mysterium gehüllt, denn er stammt aus der Zeit der Kelten, vorchristlich und geheimnisvoll, sagenumwoben und nie ganz greifbar.
Da Jan und Merlin übersinnliche Kräfte besitzen, können sie auch über eine andere, mystische Ebene miteinander kommunizieren. Merlin bittet Jan in seiner gleichnamigen Behausung in Grafwegen zu kommen, um mit ihm gemeinsam die gefährlichen Dämonen zu bekämpfen, die seit geraumer Zeit ihr Unwesen im Reichswald treiben.
Mehr erfuhr Jan für den Moment nicht, als er sich Richtung Reichswald aufmachte, um seinen Freund Merlin beizustehen.
Am Waldrand bei Schottheide traf er Wemke den Besenbinder mit seiner Frau Dina betend in ihrer alten, armseligen Kate an. Da sie Kinderlos geblieben waren, hatten sie die beiden Kinder Finchen und Jüppke von Fritz dem Köhler aufgenommen, nachdem die Frau des Köhlers unter mysteriösen Umständen gestorben war.
Auf Nachfrage von Jan berichteten sie ihm unter Tränen, das die beiden Kinder trotz des Verbotes von Stiefmutter Dina alleine in den Wald gegangen waren, um womöglich Waldbeeren zu pflücken. Als sie vor dem Dunkelwerden noch nicht zurück waren, machten sich Wemke und Dina große Sorgen. In letzter Zeit trieben sich dunkle Gestalten und Wegelagerer im Wald herum, die nichts Gutes im Schilde führten.
Die Besenbinder haben ein hartes Leben, aber die Heidelandschaft und der nahe Wald hier in Schottheide lieferte ihnen Brennholz für die Hausfeuerung und Ginster- und Birkenreisig zum Besenbinden. Diese Besen verkaufte Fritz dann bis nach Cranenburg und Cleve. Um ihr karges Leben fristen zu können müssen alle Familienmitglieder hart mitarbeiten, auch die Kinder.
Jetzt ahnte Jan der Fischersohn mit seinen mystischen Fähigkeiten, warum der Magier Merlin ihn um Hilfe gebeten hatte. Was war mit Finchen und Jüppke geschehen. Nachdem er etwas kühles Quellwasser getrunken hatte, versprach er den Eheleuten zu helfen und verließ die Beiden eilenden Schrittes.
Jan lief unbehelligt immer tiefer in den Reichswald hinein. Kurz vor der vierstämmigen Eiche Richtung Grafwegen bemerkte er schon den dichten Rauch des Meilers von Fritz dem Köhler. Dichte, schwarze Rauchschwaden waberten durch das dichte Geäst des Waldes, wodurch eine gespenstische Szenerie entstand.
Das Köhlerleben war zu allen Zeiten ein hartes und entbehrungsreiches Dasein. Tief in den Wäldern errichtete der Köhler seinen Meiler. Diese Kohlenmeiler fand man in großer Zahl im Reichswald, da Holzkohle früher dringend gebraucht wurde: für die Schmelzöfen des Erzes, die Schmiedewerkstätten, zur Färberei, in Chemie und Heilkunde und zur Herstellung von Schießpulver, auch die Mutter von Jan heizte ihr Bügeleisen mit Holzkohle.
Da solch ein Meiler je nach Größe fünf bis acht Tage brannte, musste der Köhler die ganze Zeit über dort am Meiler verbleiben. Eine einfache Laub- und Mooshütte war dann seine Behausung. Ihre weit ab geschiedenen Arbeitsstätten machten sie zu scheuen und verschlossenen Menschen, die jedem misstrauten, nicht selten ledigen Standes blieben und immer darauf gefasst waren, sich gegen wilde Tiere und das umherstreunende Gesindel zu wehren, das aus ihren Hütten stahl, während sie Tag und Nacht bei ihren Meilern wachen mussten.
Die fertige Holzkohle verwahrten sie in trockenen Erdgruben die mit dürrem Reisig ausgelegt und mit Rinde abgedeckt waren. Das wenige, hart erarbeitete Geld, trugen sie bei sich oder vergruben es im Wald. Durch den jahrelangen Aufenthalt in den Wäldern verwilderten sie, ließen Haar und Bart wachsen und wuschen nur selten den Ruß von der Haut.
So traf Jan nun auch auf den Köhler Fritz. Dieser war ganz verzweifelt und brach zusammen, als er von Jan vernahm, was geschehen war. Er flehte Jan an ihm zu helfen seine Kinder wieder zu finden, wofür sonst hatte er Jahre lang die schwere Arbeit als Köhler mit all den damit verbundenen Entbehrungen gemacht. Seine Kinder sollten es einmal besser haben als er und womöglich mal eine Schule besuchen. Dafür hatte er das sauer verdiente Geld gespart, das er für den Verkauf der Holzkohle bekam.
Jan wurde nun auch immer unruhiger und eilte direkt zu der nicht mehr weit entfernten, geheimnisvollen Behausung von Meister Merlin am Waldrand von Grafwegen.
Dieser empfing den Fischersohn freundlich in seinem alten Gemäuer. Jan ahnte nun warum Merlin ihn um Hilfe gebeten hatte. Der Magier war über die Jahrhunderte ein alter, körperlich gebrechlicher Mann geworden, dem es schwerer fiel in menschlicher Gestalt aufzutreten. Als mystischer Geist hatte er allerdings seine magischen Fähigkeiten behalten. Der Meister berichtete Jan nun, was sich seit längerer Zeit hier im Reichswald für dämonisches Gesindel herumtrieb, und riet Jan zur Eile, da die Kinder Finchen und Jüppke ganz in der Nähe wähnte. An dem Hauptweg nach Grafwegen, der mitten durch den Reichswald führte, an einer kleinen Lichtung, befindet sich ein uralter Opferstein im Volksmund „Das Goldene Kalb“ genannt.
Hier tanzen die satanischen Dämonen und opfern arme Seelen, die sie aus den Dörfern der Gegend rauben, um sie Satan zuzuführen. So auch die beiden Kinder aus Schottheide.
Sofort begannen Jan und Merlin ihre mystischen Kräfte zu bündeln, um mit magischen Formeln auf den Ort des Geschehens einzuwirken. Sie schafften es mit Ihrem positiven Gedankengut, das sich die Dämonen mit kreischendem Getöse entfernten. Ein schwefel-haltiger Geruch machte sich im Reichswald breit.
Die Kinder Finchen und Jüppke waren in letzter Sekunde gerettet worden. Sie nahmen die ganze Geschichte nur als bösen Traum war und konnten von Jan dem Fischersohn aus Nütterden zu ihren Vater Fritz dem Köhler wohlbehalten zurückgebracht werden.
Der Geist des großen Magiers Merlin lebt immer wieder in der Region Grafwegen auf und wacht darüber das kein Unrecht geschieht.
Wieder einmal hat sich bewahrheitet, das gemeinsam ausgeübte mystische Kräfte positives bewirken können……
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